„Die Geschichte von Dotzlar“

Die Ersterwähnung von Dotzlar und der Dörfer Araff und Heilgershausen in dem Vertrag von 1418 zwischen Johanns von Wittgenstein mit Godert von Hatzfeld, wonach Hatzfeld gegen die Verpfändung Dotzlars und Zahlung von 300 fl. die bis dahin verpfändeten Dörfer Araff und Heilgershausen mit allem Zubehör herausgibt und ferner auf seine Ansprüche und Gulden zu Laasphe und Erndtebrück verzichtet.(BA, Urkunde Nr. 639)

Das Dorf Dotzlar zählt mit großer Sicherheit zu den ältesten Ansiedlungen im Wittgensteiner Land. Schon die Endsilbe „lar“ kommt aus dem Keltischen, ebenso wie die Namen der Dörfer Hemschlar, Schüllar usw. Auch die alte Fliehburg, welche noch heute den Namen des Berges „Burg“ trägt, dürfte das hohe Alter des Dorfes beweisen.

Urkundlich wird Dotzlar bereits 1418 erwähnt; es wird aber angenommen, daß die Gründung bereits 500 - 600 Jahre früher erfolgte.

Nach dem ältesten, uns überlieferten Zinsregister von 1521 zählte das Dorf damals 10 Häuser mit folgenden Zinspflichtigen:

  • Cyrianus Haus
  • Druffthans
  • Ludwigshen
  • Henrichgen
  • Gerat
  • Katarina Wittib
  • Hans Snieder
  • Hebe Hans
  • Hans Knebel
  • Hans Dresler

Aus diesem ältesten Namensverzeichnis sind auch heute noch gebräuchliche Hausnamen, wie z. B. Drechslers, Hebe, zu entnehmen.

Das Leben dieser Bewohner wird sich in nichts von dem harten Daseinskampf der Bewohner anderer Orte in jener Zeit unterschieden haben. Ihr Wohl und Wehe war durch die vielschichtige Abhängigkeit von ihrem Grund- und Landesherrn bestimmt. Sie bewirtschafteten sogenannte Huben, die nicht ihr Eigentum, sondern gräfliches Lehen waren.

Für dieses erbliche Lehen hatte der Hausmann oder Bauer dem Grundherrn einen jährlichen Zins bzw. das Hubengeld (eine Art Pacht) zu zahlen. Daneben bestand aber noch die Zehntpflicht von allen Erträgen auf Äcker und Wiesen. Abgaben von Schlachtvieh an die Hofküche, sowie eine Reihe anderer Geld- und Naturalabgaben. Außerdem war man zu bestimmten Dienstleistungen verpflichtet, wenn der Lehnsherr dazu aufforderte.

All diese Belastungen und Abgaben müssen unter dem Grafen Johann um 1539 so drückend gewesen sein, daß es zu einem Aufstand der Bauern gegen ihren Landesherrn gekommen ist. Knebelhenchen von Dotzlar war ihr Anführer, der mit anderen Bauern der umliegenden Dörfer eine Beschwerde über ihren Landesherrn beim Landgrafen Philipp von Hessen überreichte. Nach seiner Rückkehr wird er von dem Grafen Johann gefangengesetzt, der nun mit harter Hand die Bauern zur Räson bringen will (ausführlich hierüber ist zu lesen in den Dorfbüchern von Girkhausen und Berghausen „Berleburger Bauernkrieg“). Erleichterungen hätte dieser Aufstand den Bauern kaum gebracht.

An anderer Stelle, insbesondere in dem Bericht über den „letzten Grenzgang“ ist zu lesen, daß die Bauern aus Dotzlar bis zum Jahre 1848 sehr erbittert um ihre Lebensrechte gekämpft haben.

Der Dreißigjährige Krieg brachte später dann erst recht die große Not ins Dorf. Nicht nur, daß die fortgesetzten Kontributionszahlungen für die Forderungen der durchziehenden Truppen zu erbringen waren, fehlte es auch nicht an Plünderungen, welche die Bauern sehr bald verarmen ließen. Es fehlte überall an Bargeld, um nur das allernotwendigste anschaffen und die Felder bestellen zu können. Viele Männer waren zum Kriegsdienst eingezogen. So gibt ein kleines Aktenstück im Schloßarchiv ein trostloses Bild wieder:

Dreßler außgestorben, stehet noch etwas Frucht,
ist noch ein unmündig Kind da.
Grumaß hauß verstorben
Johannes in hoffen Wittib
Johannes Hesse Wittib
Johannes uffm Böl Wittib
Bast Hesse Wittib
Ludwig Rühl Wittib
Clagen, können die lasten lenger nitt tragen,
Anderß müssen sie Hauß und Hof räumen.

Auch aus diesem Verzeichnis sind wieder heute noch gebräuchliche Hausnamen erkennbar, wie z. B. Hesse, Imhof (in hoffen) und Rühl (Riehle) usw. Aus dem nachstehenden Flurnamenverzeichnis lassen sich mühelos die damaligen Siedlungsflächen erkennen.

Beendigung des Krieges und dem Westfälischen Frieden von 1648 galt dann dem Grafenhause die erste Sorge dem Wiederaufbau des Landes. Es hatte Interesse daran, daß die verwaisten Höfe wieder besetzt und die Felder bewirtschaftet wurden. So nimmt es nicht wunder, daß jetzt neue Namen im Dorf auftauchen und auch wieder verschwinden. Nur sehr langsam vollzieht sich der Wiederaufbau. Da andere Verdienstmöglichkeiten kaum gegeben waren, bleibt die Landwirtschaft die einzige Existenzgrundlage, die aber nach wie vor eine Reihe von Diensten und Abgaben für die Standesherrschaft zu erbringen hatte. Diese Belastungen waren auch jetzt immer noch Ursache zu Auflehnung und Prozessen.

Die endlosen Streitigkeiten haben der bäuerlichen Bevölkerung im allgemeinen wenig Erfolg gebracht. Im Gegenteil: empfindliche Kosten bei Advokaten und Gerichten führten nicht selten zum Verlust der Hofstätten.

Eine langsame Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse brachte etwa um das Jahr 1700 die aufkommende Köhlerei und das damit verbundene Fuhrwesen. Diese Entwicklung veranschaulichen wir in einem, aus alten Unterlagen zusammengefaßten, Bericht. Aus diesen Dokumenten sind auch interessante Aufschlüsse über den Beginn einer ersten, gewerblichen Tätigkeit enthalten:

Bevor die Fichte zum beherrschenden Baumbestand unserer heimischen Wälder wurde, war es neben anderen Laubhölzern vor allem die Buche, die mit ausgedehnten Waldungen der Landschaft das Gepräge gab. Diese reichen Holzvorkommen waren der Anlaß und die natürliche Voraussetzung zur Gewinnung von Holzkohle. Wer heute den benachbarten Hillerberg oder die anderen umliegenden Berge durchwandert, trifft noch auf zahlreiche alte Kohlplätze, die von der Tätigkeit der Köhler und ihrer Meiler zeugen. Es sind dies meist kreisrunde, teils auch in die Hänge eingearbeitete Flachstellen von über 5 Meter Durchmesser, die beim Abschürfen des mit Moos und Fichtennadeln überwucherten Bodens noch einen tiefschwarzen Untergrund aus Asche und verkohltem Holz aufweisen.

Durch die damals aufblühende Eisenindustrie im Siegerland, wie auch im Lahn- und Dillgebiet, war die Holzkohle für den Betrieb der Schmelzöfen ebenso notwendig wie erforderlich. Auf diese Lage hatte man sich in den hiesigen waldreichen Gebieten auch schnell eingestellt, und die Köhlerei brachte nicht nur dem Landesherrn, sondern auch vielen seiner Untertanen eine begehrte Erwerbsquelle. In Wittgenstein - Berleburg sollen um das Jahr 1719 mehr als 200 Köhler tätig gewesen sein, und nach einer Jahresrechnung der gräfl. Rentei sollen noch im Jahre 1775 ca. 2200 Klafter Holz verkohlt und dafür eine Einnahme von 4459 Rthlr. erzielt worden sein. Der Durchschnittspreis pro Wagen produzierter Holzkohle betrug damals 2 - 3 Rthlr., so daß sich aus dem Vorgesagten eine Gesamtmenge von ungefähr 1800 Wagenladungen ergeben haben soll, die zu den Hüttenwerken angefahren wurden.

Hieraus erklärt sich dann auch der ausgedehnte Fuhrbetrieb, der sich damit entwickelte, und der seinerseits wieder das Handwerk inspirierte und vor allem dem Schmied und dem Stellmacher (Wagner) steigende Beschäftigung und lohnenden Verdienst brachte. Auch Dotzlar hat einen bescheidenen Anteil an dieser Entwicklung genommen.

In Bauhaus wird ein Tagebuch aus jener Zeit gut aufgehoben, in dem der damalige Schmiedemeister Johannes Saßmannshausen fast buchführungsmäßige, genaue Aufzeichnungen über seine Arbeiten für den Fuhrbetrieb gemacht hat, die einen aufschlußreichen Einblick in die damalige bereits auslaufende Zeit der Köhlerei vermitteln. Mit seinem Nachbarn, dem Wagner Joh. Georg Böhl, hat er meistens Hand in Hand gearbeitet, und detaillierte Angaben geben darüber Auskunft, welche Fuhrleute ihr handwerkliches Können in Anspruch nahmen.

  1794 waren es 54 Paar Räder, davon 32 Paar neue
  1795 waren es 45 Paar Räder, davon 27 Paar neue
  1796 waren es 72 Paar Räder, davon 37Paar neue
  1797 waren es 55 Paar Räder, davon 30 Paar neue u. 2 Wagen
  1798 waren es 45 Paar Räder, davon 12 Paar neue u. 2 Wagen
  1799 waren es 32 Paar Räder, davon 12 Paar neue
  1800 waren es 33 Paar Räder, davon 10 Paar neue
  1801 waren es 36 Paar Räder, davon 12 Paar neue
  1802 waren es 27 Paar Räder, davon 12 Paar neue u. 1 Wagen
  1803 waren es 23 Paar Räder, davon 6 Paar neue u. 2 Wagen
  1804 waren es 35 Paar Räder, davon 12 Paar neue
  1805 waren es 18 Paar Räder, davon 5 Paar neue u. 1 Wagen
  1806 waren es  7 Paar Räder, davon 2 Paar neue u. 2 Wagen

Es waren teils neue Räder für die hohen 2- rädrigen Transportwagen, überwiegend aber Wagenräder, deren Felgen auf den holprigen Wegen zu Bruch gegangen, vom Wagner erneuert und nun vom Schmied mit Eisenbeschlag versehen werden mussten. Die Auftraggeber waren Fuhrleute aus Feudingen, Banfe, Hebertshausen, Hesselbach, Fischelbach, Welschengeheu und aus dem Dillenburgischen. Hieraus ergibt sich eindeutig, das der Transport der hier gewonnenen Holzkohlen vorwiegend in das Dillgebiet und den Feudinger Eisenhammer erfolgte. Daneben ist allerdings auch noch eine ganze Reihe von Fuhrleuten genannt, die in den Nachbarorten Arfeld, Sassenhausen, Raumland Weidenhausen usw. ansässig waren.Sie alle suchten in dem Fuhrbetrieb einen lohnenden Nebenerwerb. Auf dem Rückweg von den Hütten wurde neben anderen Gebrauchsgütern meist auch das Roheisen für den Pfaffenhecker Eisenhammer mitgebracht, von dem dann der Dorfschmied wiederum das erforderliche Schmiedeeisen bezog

Es muß schon ein umfangreicher Fuhrbetrieb gewesen sein. für den unsere Handwerker in der angegebenen Zeitspanne gearbeitet haben, und es darf wohl angenommen werden, daß dieser bei den Schmiede-Vorgängern Mathias, Conrad oder Joh. Georg Schneider in Bauhaus bzw. den Wagnern Joh oder Jakob Böhl in Wagnershaus gar noch größer gewesen sein konnte, denn in deren Zeit fiel der eigentliche Höhepunkt der Köhlereien hier im Lande.

Mit dem Niedergang der Köhlereien, bedingt durch bestimmte Forstverordnungen, die dem mehr oder weniger betriebenen Raubbau am Wald Einhalt geboten, hauptsächlich aber durch andere und billigere Verhüttungsmethoden durch die Steinkohle, kam auch das Fuhrgeschäft nach und nach zum Erliegen.

Das Tagebuch unseres ehrsamen Schmiedemeisters gibt dann weiter in einer ganzen Reihe von Eintragungen darüber Auskunft, was sonst noch alles zu den Aufgaben eines Dorfschmiedes gehörte, und die wir wegen des alten Sprachgebrauchs nicht unerwähnt lassen wollen. Da wird der Zimmermann genannt, dem man 2 Äxte stählte und 2 Locheisen fertigte, der Schuhmacher, dem einige Hundert „Spüchernägel“ geliefert wurden, dem Küfer mußte ein neues Musfaß gebunden werden. Dazu viele alte Worte aus dem damaligen Sprachgebrauch wie eine neue Römmkette gemacht und das Hargesschirr gestählt ein Griff an er Schmalzdegelche und eine Platte auf‘s ohr gemacht, eine Potthänke, ein Schnezemesser gefertigt, eine Mistgabel gereckt und gestellt, Pflugeisen gemacht 2 er Krappe an die Stubentür gemacht, das Schar gereckt das Sech erlegt und ein Krappe gemacht usw.

Über die Einstellung eines Lehrjungen lesen wir: „Den 23. Juny 1795 habe i:r von Birkelbach einen Dienstjungen erhalten und von Johann Daniel Dörnhabach in Schmitshaus und ist das halbe Jahr an Lohn in Verwilligung seines Vatters mir 3 rthlr Lohn und ein paar neye Schu, welche er in Natura bekommen. Die 3 rthlr. Lohn will er nun volglich auf sein Lehrgeld stehen lassen und ist von seinem Vatter soweit in Einigkeit geschlossen. Vor die zwey folgenden Jahre ist der Lohn 12 rthlr. zu richtigkeit vor das Lernen zu bezahlen.“

Bei der Einstellung einer Hilfskraft wurde folgendes notiert: „1798, den 12. November. Von diesem Datum habe ich Johann Hermann Kuhn hier im Dorf gemietet bis zu Ende des 1799 Jahres. Kauf also an Lohn für die Zeit wie folgt: 10 rthlr., zwey par Schuh, 20 Ellen Tuch und einen neyen Hut.“

Mit dem Bau der Edertalstraße 1864/65 durch Dotzlar erfuhr der Schmiedebetrieb unter dem Schmiedemeister Joh. Ludwig Bald wieder eine spürbare Belebung. Da gab es vielfache Reparaturen an Karren und sonstigem Arbeitsgerät, die Anfertigung von Eisbrechern an der Ederbrücke bei Arfeld usw. usw. Danach aber dürfte sich die Tätigkeit des Schmiedes wieder auf den Huf- u. Plattenbeschlag der Zugtiere, sowie auf andere Bedürfnisse im bäuerlichen Alltag beschränkt haben.