Selten hat ein Mordfall weit über Wittgenstein hinaus soviel Aufregug und Verbitterung verursacht, wie dieser. „Der Geschwindere – der Gesündere!“ So heißt es im Wildwestjargon, wenn es bei Revolverhelden Mann gegen Mann ging. Hier war es aber kein offener Kampf zwischen Forstmann und Wilddieb, sondern eine heimtückische Tat aus dem Hinterhalt. Trotz der Verurteilung leben die Gerüchte – oft die Rauchfahnen der Wahrheit genannt – bis auf den heutigen Tag.
Geht man von Dotz1ar aus den Weg um „Keller“ hinauf, sieht man den Gedenkstein „Hier starb in treuer Pflichterfüllung durch Wilderers hand am 12. Oktober 1891 der Fürstliche Waldwärter Friedrich Kroh aus Dotzlar“, heißt die Inschrift. Was war an diesem Tag geschehen? Das „Wittgensteiner Kreisblatt“ berichtet am 13. Oktober 1891 folgendes:
„Mord! Heute früh wurde der fürstl. Förster Kroh zu Dotzlar in der Nähe der Sassenhäuser Höhe erschossen aufgefunden. Der pflichttreue Beamte ging im Verlauf des gestrigen nachmittags von Hause weg, um seinem Beruf nachzugehen und kehrte am Abend nicht zurück. Die besorgten Angehörigen begaben sich mit Tagesanbruch auf die Suche und fanden ihn in der Nähe des Walddistrikes Streifel tot und bereits erstarrt mit einem Schrotschuß durch den Kopf. Das noch geladene Gewehr trug er auf dem Rücken und der Krückenstock hing in gewohnter Weise am Arm. Einige Schritte von ihm entfernt lag ein geschossener Hase. Kroh hat den Schuß offenbar aus kurzer Entfernung erhalten und ist: anscheinend auf der Stelle tot geblieben. Ruchlose Wilddiebshand dürfte ihr frevelhaftes Spiel hier getrieben haben. Ein gewissenhafter Beamter und allgemein geachteter Mensch ist in dieser schändlichen Weise plötzlich von den Seinen gerissen worden“.
Das Heimatblatt berichtet weiter, daß sich am Donnerstag. Dem 15. Oktober 1891 ein tiefernster, ergreifender Akt vollzogen habe, als der von Wilddiebshand meuchlings erschossene Förster Kroh zur ewigen Ruhe getragen den sei. Pfarrer Wiedfeldt aus Raumland habe die Grabrede gehalten.
Lange Zeit wurde nach dem Mörder gefahndet. Große Erbitterung herrschte im Ort. Und weil der Täter noch nicht gefunden war, wurde manch ehrbarer Bürger verdächtigt. So berichtet das Kreisblatt weiter, daß am Freitag, dem 16.Oktober 1891 ein Landwirt S. in das Gerichtsgefängnis nach Berleburg abgeführt worden sei. Doch am 20. Oktober wird Landwirt S. schon wieder freigelassen, weil nichts ermittelt werden konnte, was dem Verdächtigen in irgendeiner Weise belasten im Stande gewesen wäre. Nun gingen die wildesten Gerüchte im Dorf umher und der bedauerliche Vorfall erregte die Gemüter im ganzen Wittgensteiner Land.
Nach Aufzeichnungen des Chr. Saßmannshausen steht fest, daß der sechzigjährige Förster Kroh zur Jagd ging, um einen Fuchs auf Drechslers Acker schießen. Dies hatte er seinem Enkel zugerufen, der auf einem Felde am Keller pflügte. Gegen sechs Uhr abends sind auch zwei Schüsse gehört worden. Doch man nahm an, daß der Förster wohl den Fuchs geschossen habe.
Monatelang bemühte sich die Justizbehörde, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Und es war wie eine Erlösung, als Anfang März 1892 bekannt wurde, daß ein den Justizbehörden bekannter Wilddieb W. aus Weidenau im Zusammenhang mit dem Mord an dem Förster Kroh verhaftet worden sei. In den Voruntersuchungen hatte man W., der wegen seiner Gefährlichkeit an den Armen gefesselt im Gefängnis saß, vorgeworfen, im Jahr 1881 auch den Förster Trembour in der Burgholdinghäuser Jagd erschossen zu haben. Doch hat W. gegenüber dem Untersuchungsrichter alles abgeleugnet.
Am 27. Juni 1892 beginnt endlich die Verhandlung vor dem Schwurgericht in Arnsberg. W., durch Zeugen, die z. T. mit ihm gewilddiebt hatten, stark belastet, wurde des Doppelmordes beschuldigt.
Am 1 Juli fiel der Urteilsspruch. W. wurde wegen des Falles Kroh zum Tode du wegen des Falles Hartnack zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. W., der während des Prozesses seine Aussagen frech und arrogant gemacht hatte, nahm das Urteil gleichmütig an. Am 24. Juli 1893 berichteten die Zeitungen, daß W. durch den Scharfrichter hingerichtet worden sei. Vor seiner Hinrichtung habe W. das heilige Abendmahl verweigert und trotzig und wütend den Zuspruch eines Pfarrers unbeachtet gelassen.